Der Kalte Krieg gegen Russland und der deutsche Untertan

Kulturtod und Verfall des Westens im Materialismus – Wie Russland dem Westen helfen kann.

Rainer Jesenberger lädt uns in seinem Buch zu einem Perspektivenwechsel ein. Wir blicken mit ihm in die russische Seele und mit russlanderfahrenen Augen auf die Weltereignisse. Der Zeitspanne Ende 2. Weltkrieg bis heute widmet er besondere Beachtung.

Er lässt uns erleben, wie sich die geschichtliche Entwicklung aus russischer Perspektive anfühlt, führt uns weg von der gewohnten westlichen Sicht und stellt die Beziehungen zwischen Russland, Deutschland und den USA in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.

Die Gestaltung und Festigung dieser Beziehungen nach dem Ende des 2. Weltkrieges, führte zu der heutigen politischen, kulturellen und sozialen Situation, einer Situation, in der sich westliche und östliche Welt feindlich gegenüberstehen und die dazu geführt hat, dass ein verständnisvoller, fruchtbarer Dialog schwer möglich ist.

Der Westen, unter der Führung der USA, meldete mit deutscher Unterstützung den Anspruch auf die Weltmacht an und verwirklichte ihn durch wirtschaftliche Dominanz. Das ebnete einer Politik die Bahn, die den ökonomischen Prozessen Vorrang einräumt. Das Maß ist die wirtschaftliche Stärke, der materielle Wohlstand und das körperliche Wohlbefinden.

Es geht aber nicht allen gut, das zeigt die Not vieler Menschen, die für „unseren“ Wohlstand darben müssen und die der Tribut an die egoistische ökonomisch dominierte Ideologie sind. Will man aber wirklichen Wohlstand haben, dann darf die Kultivierung des geistig-seelischen und sozialen Befindens der Menschen nicht vernachlässigt werden.

Diesbezüglich kritisiert Rainer Jesenberger die deutsche Nachkriegspolitik. Deutschland unterwarf sich der amerikanischen Politik und versäumte es, neue menschengemäße kulturelle und soziale Akzente zu setzen. Man verfiel dem „American Way of Life“ in seiner egoistisch-materialistischen Ausprägung und nahm die Vermittlerrolle zwischen Ost und West nicht wahr. Herr Jesenberger vertritt die Meinung, dass im russischen Gemeinschaftssinn etwas lebt, das zur Lösung der sozialen Probleme unserer Zeit beitragen könnte.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die „Kulturnation“ Deutschland das Potential gehabt hätte menschheitliche Impulse zu setzen. Das heißt nicht Trennung in Form von nationalen Interessen, sondern das allen Menschen innewohnende individuelle freiheitsliebende Menschsein, das die Würde aller Menschen achtet, zu fördern. Das Gegenteil ist eingetreten, Deutschland stellte sich dieser Aufgabe nicht und wurde zum Untertan der USA.

Die Welt musste den Kalten Krieg erleben, der heute neue Formen annimmt. Die USA und Russland stellen sich bis heute als Gegenmächte dar und Europa pflegt den Schulterschluss mit den USA. Die Gegensätze haben sich erhärtet und scheinen bis heute unüberwindbar zu sein. In diesem Zusammenhang wird uns die heutige russische Position und ihre Entwicklung im Weltgeschehen vermittelt.  Nur wenn die Bereitschaft ausgebildet wird, die Geschichte nicht nur nach den archivierten Fakten sondern auch nach seelisch-geistigen Entwicklungsverhältnissen zu beurteilen, können befriedigende Beziehungen zwischen Ost und West hergestellt werden.

Ich möchte ihnen, liebe LeserInnen, dieses Buch wärmstens empfehlen. Umfassend recherchiert bietet es eine vielseitige Sicht auf die Entwicklungsschritte der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart, welche Chancen sich boten, welche Wege und Irrwege begangen wurden und vor welche Aufgaben uns die Zukunft stellt.

Leipziger Universitätsverlag, € 19,60. ISBN 978-3-96023-177-6

Text: Norbert Liszt, April 2019

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