Musik in der Kindheit

Text: Frolieb Tomsits-Stollwerck.

Wenn uns ein neugeborenes Kind aus seiner Wiege anschaut, erleben wir bereits, wie seine Augen leuchten, wenn wir es mit einem kleinen Lied begrüßen. Besonders die Stimme der Mutter beruhigt es, die ist ihm vertraut.

Wenn es dann schon gehen kann, können wir oft beobachten, wie es bei Musik lebhaft zu tanzen beginnt. Da scheint etwas ganz Elementares in ihm anzuklingen, das den ganzen Körper ergreift. Meist lieben Kinder auch, Rhythmen mit allen möglichen Gegenständen zu schlagen. Das Singen ist beliebt, und man staunt, wie rasch ein Kind kleine Lieder ganz auswendig kann, ob es nun mitsingt oder zuhört. Kindergärtnerinnen erleben, wie groß das Repertoire an Liedern über ein Jahr wird, und was bei der Wiederholung zur wiederkehrenden Jahreszeit aus den schlummernden Erinnerungen auftaucht. Daran können wir erleben, dass Musik  elementar zur Kindheit gehört und etwas Wohltuendes, Förderndes für Kinder ist.

All die positiven Gründe zur musikalischen Betätigung finden in gesteigerter Form ihre Erfüllung im musikalischen Einzelunterricht. Da gibt es eine Zeit, eine halbe oder ganze Stunde jede Woche, wo ein Kind einen Lehrer ganz für sich alleine hat, wo genau hingehört, liebevoll geübt, beharrlich wiederholt und geduldig gezeigt wird, was zum Erlernen eines Musikinstrumentes und zur Erarbeitung eines musikalischen Werks, und sei es auch noch so einfach, erforderlich ist.

Die Bereiche, die durch den Instrumentalmusikunterricht gefördert werden, lassen sich folgendermaßen gliedern:

Auf der körperlichen Ebene

  1. 1. die Motorik und Feinmotorik – Bewegungen der Finger und des Körpers haben Auswirkung auf das Denk- und Vorstellungsvermögen. Die unterschiedlichen Bewegungsabläufe von rechts und links vernetzen im Gehirn Bahnen, die für andere Lernbereiche auch nützlich sind. Was die Finger begreifen, beschleunigt die Gehirnleistung.
  2. Das Gehör – in der Musik nehmen wir feinste Unterschiede in Tonhöhe und Tondauer wahr. Je feiner wir am Instrument hören, desto empfindlicher für leise Töne, Zwischentöne und Differenzen werden unsere Ohren. Das fördert den Fremdsprachenerwerb und die Kommunikation.
  3. Das rhythmische Gefühl, das sich zu Orientierungssicherheit und Entschlusskraft entwickelt. Das findet auch im rhythmischen Erlernen der mathematischen Reihen seine Anwendung. Was wir rhythmisch gelernt haben, behalten wir bis ins hohe Alter im Gedächtnis! Wir erwerben uns dadurch einen inneren Reichtum, der uns durch nichts verloren gehen kann. (Lässt im hohen Alter das Gedächtnis eines Menschen nach, so sind es die Gedichte und Lieder, die er als Kind gelernt hat, die am längsten noch abrufbar bleiben.)

 Auf der Ebene der Persönlichkeit

  1. Regelmäßigkeit – Geduld und Stetigkeit für alle Lernbereiche. Die Erfahrung, dass durch wiederholendes Üben sich Fortschritte einstellen, die man im einzelnen Übschritt vielleicht gar nicht bemerkt, kann die Bereitschaft steigern, Übungen auszuführen, die vom Lehrer gegeben werden.
  2. 5. Selbständigkeit – durch das Fortschreiten im Können am Instrument erwächst ein Selbstvertrauen, das zur Selbständigkeit führen kann. Ist man sich seines Könnens sicher, erlangt man eine Besonnenheit, die das Handeln auch in anderen Bereichen stärkt.

 Auf der seelischen Ebene

  1. Offenheit für die Kunst und die Intuition – alle künstlerischen Tätigkeiten befruchtend. Gerade in einer Zeit, in der die Beschäftigung mit der digitalen und virtuellen Welt vor allem die einspurig kausalen Zusammenhänge erlebbar macht, ist die Begegnung mit der Kunst ein ganz wichtiger Ausgleich. Hier entsteht immer wieder Neues, Einzigartiges, Unerwartetes. Wir lernen zu staunen, wir können Ehrfurcht empfinden, uns weht Freude an. Das kann ein Gegenpol zur Faszination vor dem Machbaren der Technik sein. Es macht uns – menschlicher!
  2. 7. Bewegung und Beweglichkeit der Empfindung – Das kann sich zu einem schauspielerischen Talent entwickeln. Es ist aber auch die Basis für alle therapeutischen Berufe. Es ist für die Kommunikation wichtig und schafft Empathie

Ich wünsche jedem Kind, dass es die Möglichkeit haben darf, sich musikalisch zu betätigen. Auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit sein sollte, es öffnet ein Tor für das Leben und ist nie vergeblich!

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