Die Wärme als Grundlage des Seins

Nicht die kleinste menschliche Regung ist möglich ohne Wärme: weder auf der körperlichen, noch auf der seelischen, noch auf der geistigen Ebene. Die Internationale Jahreskonferenz der Medizinischen Sektion am Goetheanum 2017 stand unter dem Thema WÄRME WIRKT.
Text: Christine Saahs

In meinem Herzen
Strahlt die Kraft der Sonne
In meiner Seele
Wirkt die Wärme der Welt.
Ich will atmen
Die Kraft der Sonne.
Ich will fühlen
Die Wärme der Welt.
Sonnenkraft erfüllt mich
Wärme der Welt durchdringt mich.
Rudolf Steiner, 1923, GA 268

Die Wärme ist die Grundlage des Seins, aus der Wärme hat sich der Kosmos entwickelt.  Sie ist Träger jeder Entwicklung – jedes Wesen egal ob Pflanze, Tier oder Mensch, benötigt die Wärme um sich zu entwickeln. Eine Pflanze braucht nicht nur das Licht der Sonnenstrahlen sondern auch die Erwärmung. Aus einem Hühnerei schlüpft nur ein Küken wenn es den richtigen Rhythmus zwischen Wärme und Abkühlung erfährt und auch der Mensch braucht die Wärme als physische wie auch als seelische Kraft, um entstehen und reifen zu können.

Die Wärme wird auch seelisch erlebt und wirkt geistig anregend, wir brauchen sie um Gefühle und tiefinnere Seelenregungen zu haben und ausdrücken zu können. Nicht die kleinste menschliche Regung ist möglich ohne Wärme, auf keiner Ebene: weder auf der körperlichen, noch auf der seelischen, noch auf der geistigen Ebene. Umgekehrt wirkt eine im Seelisch-Geistigen „auflodernde“ Begeisterung bis ins körperliche Erleben hinein durchwärmend und positiv stimulierend.

In der Sinneswelt hat die Wärme eine Brückenfunktion zwischen dem Physischen und dem Geistigen, sie ist vergleichbar mit der Brückenfunktion des Denkens zwischen Materie und Geist. Wärme kann sowohl in physischer als auch in seelisch-geistiger Form auftreten und ist doch immer Wärme. Dieses Wärmewesen wird von der Ich-Organisation individuell geprägt und bekommt dadurch seine ganz persönliche Identität. Durch die Ich-Organisation und ihre nicht materielle Wärmewirkung kann auch unser wahres höheres Selbst, unser ewiges Wesen, hereinleuchten, anwesend sein. Das Ich lebt in der Kontinuität, es geht durch viele Erdenleben und wird sich immer mehr seiner selbst bewusst. Gestärkt wird die Ich-Organisation von positiven menschlichen Begegnungen. In der zwischen Menschen entstehenden seelisch-geistigen Wärme erlebt sich der Einzelne gestärkt, Qualitäten wie Zuverlässigkeit, Kontinuität, Belastbarkeit, Tragfähigkeit, Durchhaltevermögen usw., die im Leben und in menschlichen Beziehungen zum Tragen kommen, unterstützen die Ich-Organisation und somit den Wärmeorganismus. Freundschaften sind eine besondere Kraftquelle für das Ich und auch die Schulung an den menschlichen Kernidealen wie Wahrhaftigkeit, Liebefähigkeit, Freiheit für sich und die anderen.  Diese inneren Wärmeprozesse wirken gesunderhaltend wie auch unterstützend auf die Selbstheilungskräfte.

Im Menschen lebt und wirkt die Ich-Organisation, die schöpferische Individualität in der Wärme unseres Leibes. Diese entwickelt sich in der eigenen Biographie und zeigt sich unter anderem auch in ihrer Tag-Nacht-Rhythmik. Im gesunden Menschen kühlt der Organismus nachts ab und erwärmt sich mit der ICH Präsenz am Morgen wieder. Das Fieber ist eine gesteigerte Ich Aktivität und ist meist bereits der Versuch des Körpers durch eigene Kraft wieder zu gesunden. Im Gegensatz dazu haben viele Patienten mit einer Krebserkrankung eine geschwächte Wärmeorganisation, Fremdes kann entstehen und wachsen ohne das es vom ICH erkannt bzw. abgewehrt wird. Eine besondere therapeutische Bedeutung hat die sorgfältige Pflege der Wärme bei Geburt und an der Schwelle des Todes sowie bei Krankheitsprozessen.

Die diesjährige Internationale Jahreskonferenz der Medizinischen Sektion am Goetheanum stand unter dem Thema WÄRME WIRKT.

Sehr umfangreich wurde hier die Wärme in vielen Lebensbereichen gemeinsam erarbeitet.

Die Ernährung kann durch wärmende Lebensmittel wie Hirse und anderes gut aufgeschlossenes vollwertiges Getreide, gut gereifte Früchte, lang gekochtes Gemüse, Nüsse, Honig, … im Physischen, Lebendigen, Seelischen und Geistigen das ICH und die Wärmeprozesse kräftigen. Eine wichtige Unterstützung sind hierbei die biologisch-dynamischen Präparate im Demeter Landbau, die ebenfalls durch die Lebensmittel auf alle 4 Wesensglieder im Menschen heilsam wirken.

Therapeutisch wirksame Wärme wird auch durch Meditation, Fürbitte und Gebet aktiviert. Die Wärmemeditation von Rudolf Steiner ist hier ein besonderes Instrument und über die 6 Nebenübungen ist es möglich neue Wahrnehmungsqualitäten in der Wärme zu entwickeln.

Besonders in der anthroposophischen Medizin ist die Wärme ein zentrales Thema. Der sorgsame Umgang mit Fieber ist ein wesentlicher Punkt im Verständnis von Entwicklung, Gesundheit und Krankheit. Fieber zeigt immer die Eigenkraft, die ICH-Tätigkeit, es wird vom Menschen aus eigener Kraft produziert um Krankheit entgegenzuwirken. Nehmen wir dem Organismus die Chance hier selbst tätig zu werden, wird dieser zunehmend geschwächt. Prof. Dr. David Martin hat hier eine großartige Initiative gestartet, um über den auch in der klassischen Medizin schon längst erforschten Benefit des Fiebers aufzuklären.  http://warmuptofever.org/de/

Mit vielen Arzneimitteln bis hin zur Misteltherapie, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert, bietet uns die Anthroposophischen Medizin einen Reichtum an Behandlungsmöglichkeiten bei Störungen der Wärmeorganisation.

An äußeren Anwendungen wirken Ingwer- oder Senfmehlbrustwickel bei Entzündungen der Lunge, oder eine feucht-warme Schafgarbenkompresse auf die Leber unterstützend auf die Heilungsprozesse. Ein Oxalis-Bauchwickel oder ein warmes Blasenläppchen mit Eucalyptusöl bei Problemen des Harntrakts sind Teil einer ganzheitlichen, integrativen Therapie.

Zur Vorbeugung oder bei Infekten wirken abendliche Fußbäder wahre Wunder. Bei Neigung zu kalten Füßen, auch bei Kindern, ist eine 3-wöchige „Wärmekur“ äußerst hilfreich um gesund durch den Winter zu kommen, zum Beispiel mit einem Eichenrindenfußbad.

 

Eichenrindenfußbad:
3-4 TL Eichenrinde über Nacht in 1,2 l Wasser einweichen,
morgens 10 min. kochen, dann abseihen. Extrakt in den
Kühlschrank stellen. 50 ml davon in eine Fußbadewanne mit
Wasser bei 38°C. Danach Füße mit La-vendelöl bei Unruhe
oder Einschlafstörungen oder Malvenöl einreiben und mit
Wollsocken gut durchwärmt von unten ins Bett. ndenfußbad
ist am besten vor dem Schlafengehen. Bei der Kur ist
täglich sinnvoll, um wirklich den Wärmeorganismus gut
anzuregen und von unten gut zu kräftigen.

Linktipps:
anthromed.at (Homepage der Gesellschaft für
Anthroposophische Medizin in Österreich) unter news:
Kurze Videos, in denen Prof. Dr. David Martin in Blöcken zu
verschiedenen Themen zum Thema Fieber spricht.
www.pflege-vademecum.de Anregungen und Anleitungen
aus der anthroposophischen Pflege.
www.medsektion-goetheanum.org Literaturtipps,
Forschung, Veranstaltungen

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