Text: Doris Edler
Der Bauernhof funktioniert als ein lebendiges Geflecht von Mensch und Natur, er ist ein Ort der Kultur.
Sein Standort, also die Lage im Raum (Seehöhe, Süd-, Ost-, West- oder Nord Lage) mit den Bodenverhältnissen bestimmt das Pflanzenwachstum und somit die Anbaubedingungen. (auf einem Bauernhof.) Das sind gegebene Bedingungen, sozusagen die Naturbegabung des landwirtschaftlichen Organismus. Je besser der Landwirt damit umgehen kann, das heißt, sich mit dem Ort verbunden hat und seine Talente beachtet, indem er die richtigen Pflanzen und Tiere für diesen Ort wählt und fachkundig betreut, umso erfolgreicher wird er wirtschaften. Kulturland entsteht, wenn er das gegebene Lebensgefüge, welches von den Bodengrundlagen bis zu den kosmischen Einflüssen reicht, mit seinen Eingriffen nicht stört, sondern veredelt. Gesund lebt der Hoforganismus, wenn es den gestaltenden Menschen gelingt, das richtige Verhältnis zwischen den Organen (Boden, Garten, Feld, Wiese, Tiere, Wald, …), die optimalen Bedingungen für die verschiedenen Früchte, die er ernten will und für die Tiere, die er hält, herzustellen und zu pflegen.
In unserem Fall in der Weststeiermark ist die Bodengrundlage Urgestein, Hanglage nach Osten, Bergbauernzone 2, d.h. zum Teil steile Wiesen und Weiden die eine Rinderherde (21 Kühe + ca. 20 Jungtiere + einen Vaterstier) ernähren; ca.7 ha ebene Flächen für Ackerbewirtschaftung, im Ganzen 43 ha, halb Wald; gepachtete Flächen im Tal 5 ha und Almweide 16 ha. Die Kühe werden täglich zweimal gemolken und die Milch am Hof zu verschiedenen Sauermilchprodukten und Käsen verarbeitet. Zurzeit leben neben den Wildtieren in Boden und Luft und der Rinderherde noch zehn Schweine, zwei Hunde, sechs Katzen und acht Menschen am Hof.
Die Arbeit, die dafür nötig ist, leisten wir aus Freude und Erkenntnis. Sie gibt Sinn. Wir bücken uns dabei tief zur Erde und betätigen oft den ganzen Tag unsere Muskeln in gleicher Weise. Die schwere körperliche Anstrengung erspart uns den Besuch eines Fitnessstudios, doch nicht den Physiotherapeuten. Denn die richtigen Ausgleichsübungen sind nötig, um schmerzfrei unsere aufrechte Haltung zu bewahren.
Durch das bewusste und sorgsame Umgehen mit sich und allem Lebendigen um sich, bildet der Mensch seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sowie seine sozialen Einstellungen und Verhaltensweisen aus. Der Sozialkontakt im Arbeitsleben ist so sehr mit dem Leben der Natur und den Tieren, für die man Verantwortung übernommen hat, verbunden, dass sich richtiges Verhalten fruchtbar auswirkt. „Was fruchtbar ist, allein ist wahr“, sagt J. W. von Goethe. Am Bauernhof wird das erleb- und erfahrbar.
Eingebunden in die Verhältnisse der Gestirne im Zeitenlauf ist die Arbeit durch den Jahreslauf vorgegeben. Meine Tätigkeit danach auszurichten, auch wenn ich selbst andere Ideen oder Bedürfnisse hätte (Verzicht), bestimmt nicht nur meine wirtschaftliche Existenz, sondern auch meine seelische Entwicklung, meinen Reifungsprozess. In seinem Buch „Der unbewusste Gott“ schreibt Viktor E. Frankl, der Begründer der sinnzentrierten Psychotherapie: „… dass Menschsein heißt, ständig mit Situationen konfrontiert zu sein, von denen jede Gabe und Aufgabe ist. Was sie uns aufgibt, ist die Erfüllung ihres Sinnes. Und was sie uns gleichzeitig gibt, ist die Möglichkeit, durch solche Sinnerfüllung uns selbst zu verwirklichen. Jede Situation ist ein Ruf, auf den wir zu horchen, dem wir zu gehorchen haben. …“ (S. 17) Welcher Bauer, welche Bäuerin könnte es sich leisten, dem Ruf nicht täglich von Neuem zu folgen? Der arbeitende Mensch gehört elementar zum Ganzen des Hofes. Die Rufe der lebendigen Wesen sind nicht zu überhören, nicht zu übersehen, wenn man in der Verantwortung steht und sich mit ihnen verbunden hat. Deshalb wirkt die bäuerliche Arbeit auch so therapeutisch. Sie verlangt, dass man sich täglich dienend seinen lebenden Mitgeschöpfen zuwendet. Dies ist eine Demutsübung!
Durch die reflexive Auseinandersetzung mit meiner Arbeit wird mir die Dimension der Natur im Verhältnis zu meinem Sein bewusst. Die bäuerliche Arbeit macht Freude, weil man durch das Gedeihen der Pflanzen und Zugetan-Sein der Tiere reich beschenkt wird. „Wer von oben empfangen will, muss unten sein!“ (Zitat von Meister Eckart)
Da der Bauer im Lebendigen gestaltet, wird außen sichtbar, was er seelisch in sich trägt. („Jeder Mensch ein Künstler“ Zitat: J. Beuys) … Monokultur oder Vielfalt? Reflektiere ich in genügendem Maße meine Handlungen und Beziehungen, so kann ich ein Reifen meiner Persönlichkeit feststellen. Als große Hilfe, die Beziehung meines Innenlebens mit dem Gang der Jahreszeiten zu verstehen und mich als Mensch vom Geschöpf zum Schöpfer meines Lebens zu entwickeln, erlebe ich den Seelenkalender von Rudolf Steiner. Als Beispiel sei der Spruch der 30. Woche angeführt:
„Es sprießen mir im Seelensonnenlicht
des Denkens reife Früchte,
In Selbstbewusstseins Sicherheit
verwandelt alles Fühlen sich.
Empfinden kann ich freudevoll
des Herbstes Geisterwachen:
Der Winter wird in mir
den Seelensommer wecken.“
An der Pflanze, die im Jahreslauf lebt, werden die Qualitäten der vier Jahreszeiten sichtbar. Ein Sprossen ihm Frühjahr, blühen und duften im Sommer, reifen im Herbst. Das Leben der Mutterpflanze zieht sich in den Samen zusammen, der es bewahren kann. Im Winter (Weihnachtzeit) wird er vom allgemeinen Leben in der Erde aufgenommen und aufgeweckt. So kann im nächsten Frühjahr eine neue Pflanze sprießen und das Leben weitergetragen werden.
Walther Cloos schreibt in Aufsätzen über die Alchemie der Jahreszeiten in dem Buch “Das Jahr der Erde“ Seite 97: „Was in der Kraft des läuternden Feuers im Sommer entsteht, wird Nahrung für den Menschen. Nicht nur Brotgetreide und Früchte, sondern auch das Licht und die Wärme. Im Menschen wird das, was der Sommer hervorbringt, das Nährende, hinaufgeführt und umgewandelt durch Verdauung und Atmung in ein Erneuerndes und Heilendes. Dadurch vollzieht der Mensch den Herbstprozess in sich. Lebt er im Herbst, so erreichen ihn die erneuernden und heilenden Kräfte von innen und von außen. Dieses Erneuernde und Heilende wird im Menschen wiederum eine Stufe weiterverwandelt und erhöht, es wird Gedankenkraft. In der äußeren Natur ist das der Winter, wo die Kraft des Wassers die Samen und die Erde neu belebt. Der Mensch belebt seine Gedankenkräfte, das ist sein innerer Winter. Das aber, was als neu belebte Gedankenkräfte im Menschen entsteht, das kann hinunterströmen in den schöpferischen Willen. Diese Kraft des schöpferischen Willens ist innerlich eine aufbauende und erhaltende. So hat der Mensch die Kräfte der Jahreszeiten in sich. Aber er vollzieht sie nicht nur in den einzelnen Jahreszeiten, sondern täglich, stündlich, indem er Nährendes in Heilendes, Heilendes in Gedankenkräfte und diese in den Willen verwandelt. Was sich so im Menschen als körperlich-geistiger Lebensstrom unablässig und mehr oder weniger unbewusst vollzieht, das kann in den einzelnen Jahreszeiten draußen erlebt und empfunden werden. Jedoch nicht nur als Naturgeschehen, sondern auch im eigenen Inneren. Wer etwas im Laufe seines Jahreslebensganges beobachtet, kann spüren, wie der Sommer ihn nährt, der Herbst ihn heilt, der Winter in den Gedanken neu belebt, so dass gegen den Frühling neuer Wille in ihn strömen kann.“
