Ein Weg zum Verständnis seines Entstehens
Text und Bilder: Norbert Liszt, Bild 3: © Bernhard Wimme
Eine leuchtende Erscheinung in der dunklen Regenwand – so kann man den Regenbogen kurz charakterisieren.
Es ist beeindruckend, wie die Sonne diesen Farbenbogen in die dunkle Regenwand hineinzaubert. Wie er entsteht, ist noch immer geheimnisvoll. Eine gesicherte Theorie seiner Entstehung gibt es meiner Meinung nach noch nicht, Vermutungen, Hypothesen ja, aber nichts Gesichertes.
In allen vier Bildern ist ersichtlich, dass es im Inneren der Bögen heller ist als außerhalb. Bild zwei zeigt einen gespiegelten Regenbogen und Bild drei, dass es auch kreisrunde Bögen gibt. In Bild vier ist zu sehen, was erscheint, wenn man die Sonne mit einer Lupe auf ein dunkles Blatt Papier projiziert. Im Folgenden möchte ich darstellen, warum diese Wahrnehmungen für die Beurteilung der Regenbogenentstehung wichtig sind.
subjektiv – objektiv?
Die gängige Vorstellung der Regenbogenentstehung geht davon aus, dass es die einzelnen Regentropfen sind, die das Sonnenlicht durch doppelte Brechung und Reflexion in unser Auge senden (Bild 5). Auf diese Weise sollen, je nach Stärke der Brechung, die unterschiedlichen Farben des Bogens in unserem Auge erscheinen. Das kann sich aber nur ergeben, wenn der Mensch an der Spitze eines Konus steht, der sich in einem ungefähren Winkel von 42° ausbreitet (Bild 5). Das würde bedeuten, dass jeder Mensch seinen eigenen Regenbogen sieht. Die Wahrnehmung des Regenbogens wäre somit ein rein subjektives Erlebnis.
Wie in Bild 2 dargestellt, kann der Regenbogen gespiegelt werden. Das bedeutet – nur was objektiv vorhanden ist, wie jedes andere physische Ding, kann sich spiegeln, denn der Spiegel verhält sich neutral zu den Erscheinungen. Der Regenbogen ist, nach meinem Verständnis, eine reale, sinnlich als Ganzheit erfassbare Tatsache. Obwohl sie von meiner Position abhängt, setzt sie sich nicht erst durch das Geschehen in den einzelnen Regentropfen in unserem Auge zusammen.
Ein weiteres Phänomen sollte dabei beachtet werden. Im Inneren des Bogens ist es immer heller als außerhalb. Diese Helligkeit erscheint uns als leuchtende Fläche. Ich sehe also eine halbkreis- oder wie in Bild 3 kreisförmige Fläche, die von einem Farbensaum umgeben ist. Fläche und Umrahmung bilden eine Einheit. Das führt zu der Frage, was sich da in der Regenwand abbildet.
Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, wie Bilder entstehen. Wie unser Auge hat auch eine Kamera eine Linse, die Ausschnitte der Umwelt auf eine Reflexionsfläche projiziert. Das in der Atmosphäre gestreute Licht wird durch die Linse gebündelt. Das Bild, welches darauf erscheint, hat sich umgekehrt. Mit einer Lupe erreicht man Gleiches (siehe Bild 6 und 7). Wenn ich die Lupe gegen eine größere Fläche halte, etwa eine Wand, und mich dann mit der Lupe in der Hand entlang der Wand weiterbewege, geht dieses Bild vom Fenster mit mir mit. Die Position ändert sich und die Erscheinung bleibt erhalten. Das Bild ist also, obwohl ich meine Position ändere, das reale Abbild des Fensters. Kann ich unter diesem Aspekt sagen, die Farben und Formen des Fensterbildes setzen sich erst, abhängig vom Betrachtungswinkel, in meinem Auge zusammen? Ich bin der Ansicht, dass ich sie als Ganzheit erfasse. So ist es auch mit dem Regenbogen. Verändere ich meine Position, sehe ich den Regenbogen trotzdem und ich nehme ihn als Ganzheit wahr, er könnte sich sonst nicht spiegeln. Der Bogen und die Helligkeit im Inneren sind somit ein reales Abbild der Sonne – eine Spiegelung der Sonne in der Regenwand. Die Regenwand ist unter diesem Aspekt der Spiegel und nicht die einzelnen Regentropfen, denn das Bild des Fensters, das mit der Lupe auf die Wand projiziert wird, entsteht nach dem gleichen Prinzip. Das ist auch die grundsätzliche Funktionsweise einer Kamera.
Auf den folgenden Bildern (8, 9, 10, 11) wird mit Hilfe einer Linse demonstriert, was sich verändert, wenn man die Lupe, wie hier, an das Blatt Papier annähert und entfernt (Bild 12). Bei einer bestimmten Distanz erhält man das klare Bild der Lampe. Bei Annäherung als auch bei Entfernung wird das Bild unklar. Ist die Lupe nahe am Blatt, sieht man einen roten Rand, bei Entfernung einen blauen. Ob klar oder unklar, es bleibt das Bild der Lampe.
In diesen Vorgängen offenbart sich das Grundprinzip der Farbentstehung, wie es schon in den drei vorhergehenden Ausgaben dargestellt wurde: Wird Helles verdunkelt, bilden sich rötliche und wird Dunkles aufgehellt blaue Farbnuancen.
Am Rand des Bildes der Lampe entsteht durch die Annäherung der Lupe eine Unschärfe. Der rote Rand in Bild 10 ergibt sich dadurch, dass die dunkle Umgebung etwas in die helle Mitte ragt. In Bild 11 ist es umgekehrt, die helle Mitte dehnt sich in die Umgebung aus – siehe Bild 12.
Die praktische Durchführung erleichtert das Verstehen. Dieser Versuch ist, wie Sie in den Bildern sehen können, sehr einfach nachzumachen.
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Das gleiche Phänomen ist zu sehen, wenn ich die Sonne in die Lupe nehme. Das klare Bild der Sonne ist der Brennpunkt. Wenn ich die Lupe der Reflexionsfläche annähere, bleibt es das Bild der Sonne und es bildet sich ein farbiger Saum. Es sind die Farben des Regenbogens (Außen rotviolett, rot, über gelb, grün, blau nach innen sich verändernd – siehe Bild 4 und 13).
Das führt zu der Annahme, dass der Regenbogen auf die gleiche Weise entsteht. In der Regenwand bildet sich die Sonne ab.
Alles deutet darauf hin, dass die Luft wie eine Linse wirkt, die wie oben dargestellt, das unklare Bild der Sonne in die Regenwand hineinprojiziert. Die Sonne ist die absolut hellste Erscheinung. Die Umgebung der Sonne ist dunkler als sie selbst. Das Bild der Sonne in der Regenwand zeigt als Randerscheinung die „Regenbogenfarben“, und zwar dadurch, dass Dunkles über Helles geführt wird. Es erscheint ein violett-rot-orange-gelber Ring. Das Innere der Erscheinung ist das eigentliche Sonnenbild. Es hellt die dunkle Regenwand auf. Das entspricht der Darstellung in Bild 13, wo das dunkle Blatt Papier aufgehellt wird und innen blau erscheint. Beim Regenbogen zeigt sich das nicht so deutlich. Die blaue Randerscheinung ist immer zarter und weniger ausgedehnt und geht durch Mischung mit gelb in grün über. Zur Verdeutlichung ist dieser Prozess in Bild 15 dargestellt.
Die Farben das Bogens sind so gesehen nicht Resultat der Brechung und Reflexion in den einzelnen Tropfen, sondern alle Tropfen zusammen bilden eine große semipermeable Reflexionsebene, auf der sich die Sonne mit ihren leuchtend zarten Randerscheinungen spiegelt. Dahinter liegt die Tiefe des Regenkörpers. Das ist die gleiche Situation, wodurch auch Fensterscheiben, deren Rückraum dunkel ist, zu Spiegeln werden.
In Bild 14 wird ein Sprühregen erzeugt und mit einem Diaprojektor ein Bild in den Sprühnebel projiziert. Wie Sie sehen, ist es das unklare Bild des dahinterliegenden Diapositives. Wie der Regen unter bestimmten Voraussetzungen die Sonne abbildet, so hier der Sprühnebel das Foto des Diaprojektors.
Wie die Kamera der Welt angehört, so ist auch unser Auge der Welt angehörig. Die Welt hat sich in Form des Auges in uns hineingebaut und das gilt auch für die anderen Sinnesorgane. Das bedeutet, unsere Wahrnehmungen sind nicht subjektiv, sie sind Weltprozesse. Wir wachsen im Wahrnehmungsprozess hinaus zu den Objekten und nicht umgekehrt. Im Wahrnehmen sind wir nicht bei uns, wir sind dort, wo sich unsere Sinne hinwenden. Das steht der Meinung entgegen, die uns erklärt, die Empfindungen, z.B. der Farbe Rot, seien allein Resultat physiologischer Prozesse unserer Organisation und entstehen erst in uns.
Wie Sie, liebe Leser, auch immer darüber denken, wenn ich die dargestellten Bilder beschreibe, muss ich voraussetzen, dass Sie das gleiche sehen wie ich. Wenn es so ist, dann nehme ich an, dass, was wir sehen, nicht subjektives Abbild der Wirklichkeit ist, sondern objektive „sinnliche“ Wirklichkeit, obzwar zu bedenken ist, dass alles sinnlich Wahrnehmbare noch nicht die volle Wirklichkeit ist. Ein geistiges Wahrnehmen muss sich dem sinnlichen anschließen, um auch zu verstehen, was wir sehen (siehe dazu die Buchbeschreibung über „Die Philosophie der Freiheit“ in der vorigen Ausgabe).¹
¹ Rudolf Steiner, GA 4, Die Philosophie der Freiheit, 4. Kapitel „Die Welt der Wahrnehmung“ und das 5. Kapitel „Das Erkennen der Welt“



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