Edeltraut Zwiauer

Text: Gabriele Zwiauer, Foto: Fam. Zwiauer

Die Eurythmie war ihr Leben – die Musik durchklang ihr Leben – ein reiches, hingebungsvoll-schenkendes Erdenleben, das am 4. November dieses Jahres zu Ende gegangen ist.
Im Todesjahr Rudolf Steiners, am 20. August 1925, wurde Edeltraut Mayrhofer, begleitet von Blitz und Donner eines Gewitters, geboren. Die Mutter, laut Aussage von Edeltraut eine Könnerin am Klavier, führte ihre Tochter in die Welt der Musik ein. Sie spielte dem unter dem Klavier liegenden Kind Beethoven, Schubert und vor allem Bruckner vor, sobald morgens der Vater, ein Mittelschulprofessor für Mathematik und Physik, die Wohnung verlassen hatte. Doch das Klavier, das bemerkte Edeltraut bald, war nicht ihr Instrument. Singen im Chor der Volksschule, in den sie auch ohne jegliche Kenntnis von Noten aufgenommen wurde, beglückte sie dagegen sehr. Später entdeckte sie das Cello als ihr Instrument. Sie bekniete den Vater über Monate, bis er eines für sie erwarb. Sie nannte es „Fra Angelico“ und empfand es als ihren besten Freund. Mit Senta Benesch bekam sie dann auch eine hervorragende Cello-Lehrerin.
Das Cello und damit die Musik begleiteten sie durch die fordernden Jahre des Hitlerregimes und die schrecklichen Erlebnisse des Krieges.
Eine schicksalhafte Begegnung war jene mit ihrer Kunstlehrerin Traute Conrad am Gymnasium, eine wohl durch und durch künstlerische Seele, zu der Edeltraut liebevoll-verehrend aufblickte, weil sie mit ihrem Unterricht dem empfindsamen Mädchen die sonst eher als qualvoll erlebte Zeit im Gymnasium aufhellte. Diese Traute Conrad war eine Verwandte der Familie Zwiauer und machte nach dem Krieg ihre – ehemalige – Schülerin mit der Familie bekannt – Johannes allerdings befand sich zu der Zeit noch in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Schnell bekam Edeltraut bei den Zwiauers einen Spitznamen: der „Pfiff“ wurde sie genannt aufgrund ihrer für Mädchen eher ungewöhnlichen Fähigkeit auf zwei Fingern sehr laut und durchdringend zu pfeifen.
Sie begann Musikwissenschaft an der Wiener Universität zu studieren und wollte dieses Studium mit einem Doktorat abschließen. Die umfassenden Kenntnisse, die sie in diesem Studium erworben hat, gab sie später voller Enthusiasmus an zahllose EurythmiestudentInnen weiter.
Mitten im Studium stand er auf einmal vor ihr: der schmächtige, aus der Gefangenschaft zurück gekehrte Chemiestudent Johannes Zwiauer – mit einer Geige unter dem Arm. Geige und Cello wurden ein unzertrennliches Kammermusik-Duo – – -.
Johannes machte Edeltraut auf langen gemeinsamen Spaziergängen mit der Anthroposophie bekannt, deren umfassendes, differenziertes Welt- und Menschenbild ihr vertraut schien, ohne dass sie vorher etwas davon gehört hatte. Doch auch die Eurythmie lernte sie durch ihn kennen und konnte es kaum fassen, dass man diese ihr engelsgleich erscheinende Kunst erlernen könne. So fand sie zu dem eigentlichen Instrument ihres Lebens und studierte Anfang der 50er Jahre bei Trude Thetter und Friedl Meangya.
Das Zwiauer-Duo wurde zum Quartett erweitert durch die Geburten von Florian und Matthias – und tatsächlich wurde bald, nachdem die Söhne auch Geige und Cello erlernt hatten, viel vierstimmige Hausmusik gemacht
Als Eurythmistin war Edeltraut Zwiauer dann in vielfältigster Weise tätig: über viele, viele Jahre nahm sie in wöchentlichen Kursen Kinder in mütterlich-liebevoller Weise mit in die bildhafte Bewegungswelt der Eurythmie, brachte aber auch Jugendliche mit ihrem Enthusiasmus, Humor und Können in künstlerisch beseelte Bewegung. Zu ihren künstlerischen Fortbildungskursen kamen Waldorflehrerinnen aus dem ganzen deutsch-sprachigen Raum, um sich wieder frische Kraft zu holen.
Auf der Bühne beeindruckte und berührte sie zahllose Menschen durch ihre empfindsame, den Umkreis ihre Instrumentes durchleuchtende Bewegung; mir persönlich besonders in Erinnerung sind hier die Gestalt des Tamino in „Der Zauberflöte zweiter Teil“ von Goethe oder die des Engels Raphael in der Tobias-Legende aus dem Alten Testament, Gedichte von Albert Steffen, die sie mit besonderer Hingabe eurythmisierte oder Sätze aus den Rosenkranz-Sonaten von Franz Biber. Von anderen Menschen gibt es da sicher unzählige weitere Erinnerungen, die sich in die Herzen eingeschrieben haben.
Als Ende der 70er Jahre Friedl Meangya aufgrund ihrer sich verschlimmernden Krankheit ihre Unterrichtstätigkeit aufgeben musste, übernahm Edeltraut Zwiauer die Lauteurythmie im damaligen Oberkurs (oberster Jahrgang). Das war der Beginn ihrer Tätigkeit als Eurythmie-Dozentin in der Ausbildung. Nach dem Tod von Trude Thetter wenige Jahre später übernahm sie zusammen mit Sigrid Kudlik die Leitung der Eurythmieschule Wien.
In dieser Funktion war sie über 30 Jahre lang voller Hingabe tätig. Mit einem möglichen Ende dieses Wirkens sah Edeltraud Zwiauer – wie sie wiederholt äußerte – auch das Ende ihres Erdenlebens auf sich zukommen. Das Schicksal wollte es anders: nach mehreren Stürzen kurz vor ihrem 90. Geburtstag war die Fortsetzung ihrer Tätigkeit in der Eurythmieschule nicht mehr möglich. Ein Jahr später übergab sie zusammen mit A. Petri und Johannes Zwiauer offiziell die Leitung an die nächste Generation. Als zu Frühlingsbeginn 2018 ihr geliebter Johannes die Schwelle überschritt, dachten viele, Edeltraut werde ihm ganz bald folgen. Doch sie ertrug ihre zunehmende Unbeweglichkeit noch weitere zweieinhalb Jahre und durfte drei Urenkelkinder auf dieser Erde begrüßen. Bei diesen Begegnungen strahlte ihr Gesicht immer in seltener Glückseligkeit.
Für ihr umfangreiches eurythmisches Wirken und die vielen, vielen einfühlsamen, fürsorglichen, liebestrahlenden menschlichen Begegnungen töne ihr ein vielstimmiges weltweites DANKE entgegen!

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