Ein tragfähiger Mensch in Landwirtschaft und praktischer Landbau-Forschung verabschiedet sich. Ein Nachruf

Text: Angelika Felder, Foto: Lutz Reinecke

Flink, rasch, immerzu fleißig  – das war Raimund Remer.

Sinnenfreude, Sinnenschärfe  – immer draußen im Geschehen und Wandel der Jahreszeiten. Seine Forschung und landwirtschaftlichen Versuche auf den Betriebsflächen des Bauckhofes schlossen sich an Fragen und Probleme der bio-dynamisch arbeitenden Bauern und Bäuerinnen in Norddeutschland an  – geschätzte 25 Jahre. Davor war er intensiv mit dem Wurzerhof und der österreichischen Demeter-Bewegung verbunden.

„Dichter heran gehen an das, was wir tun wollen“, so lautete sein Rat bei der Sommertagung 2010 im Südburgenland. Raimund Remer ist seinem Versprechen, als Hauptreferent anzutreten, treu geblieben, obwohl er im Vorfeld der Österreich-Reise mit den Folgen einer Gehirnblutung hart zu kämpfen hatte. Im Weiteren hat er sich aus der Öffentlichkeitsarbeit sehr zurückgezogen, doch war er bis zu seinem Tod ein Juwel anthroposophischen Lebens und Forschens.

Neben aller Betriebsamkeit und großer körperlicher Anstrengung praktizierte er in absolute Ruhe getauchte Offenheit, die Hinwendung zu Phänomenen, genaues Einschätzen, Mitempfinden und Mitgefühl.

Seinen riesigen Erfahrungsschatz und das ständige Ringen um ein Verstehen der natürlichen Gegebenheiten leitete dieser „Eremit“ hin zu konkreten Hilfestellungen  – zu „kunstreichem Tun“ eines Goethe.

„Alle, die ihn (R.R.) kennenlernen durften, haben mit Bewunderung seine unendliche Zuwendung zur Erde, den Pflanzen, den Bäumen, den Tieren und den Menschen erlebt.“ So heißt es in der Todesanzeige, wohl von seiner lieben Frau Ulrike verfasst. Nicht ganz 86-jährig, am 5. Februar dieses Sonnenjahres „hat ein starkes, mutiges und großes Herz aufgehört zu schlagen. Nun gehen Seele und Geist vom Leibe befreit ihren Weg in neue Sphären.“

Nach Maßgabe und Anregung in Rudolf Steiners „Landwirtschaftlichem Kurs“, neue Wege gangbar zu machen, spielten die Präparate eine große Rolle in R. Remers Leben und Forschung.

Seine Ergebnisse dazu scheinen aufwändig. Doch wirken biologisch-dynamische Präparate auf der Grundlage einfühlsamer, wohlüberlegter und sorgfältiger Handhabung. Soll doch auch der Boden für gesundes Wachstum und Wirksamkeit dieser feinen Substanzen nicht glatt und hart wie der Tisch, sondern locker und lebendig sein. „Es sind zarte Momente, durch welche Pflanzen das Licht zu neuer Nährkraft wandeln können.“ (LWK, 1.Vortrag, kosmische Wirkungen und Silizium.) Ein Herzenswunsch in Bezug auf das Kieselpräparat entrang sich bei oben erwähnter Sommertagung Remers Seele: „Wenn es nur wirklich zu einem Leben führen wollte!“

Besonders sichtbar ist dies bei der Prozedur des gründlichen Verreibens von Quarz; so gründlich (im letzten Schritt sogar noch mit der Kugelmühle), dass bei langsamer Wasserzugabe der Brei entsteht, von dem genau (!) Rudolf Steiner gesprochen hat. – Die Minerale bleiben hier lange in der Schwebe, sinken nicht gleich nach unten. Kommt dieses sorgfältig ausgewählte, gründlich und langsam zubereitete Material in den warmen Sommerboden (Im Horn oder der Hirschblase für die Schafgarbe// nebenbei gesagt: Die Hüllen, die für die Kompostpräparate verwendet wurden, waren immer absolut frisch!), so kann „der Teig“ darin weiterarbeiten! Silizium wird in die Löslichkeit geführt, hin zu einer etwas beweglicheren Lebensform; so wie es uns die Diatomeen vormachen  – „Zeit geben“. Das gilt für sehr vieles in der Landwirtschaft. Die große Lehrmeisterin Natur leitet uns Menschen durch ihr Vorbild zu Herzensbildung an.

Sein Lebensprojekt war das Weiterbringen der Demeter-Landwirtschaft, in welches sich auch seine Arbeit im Labor glücklich eingefügt hat. Etliche Voraussetzungen für sein Tun, wie z.B. Labor und Versuchsflächen, hat R.R. vom Vater Dr. Nikolaus Remer übernommen und sich ganz zu eigen gemacht.

Der grande Studiosus war Raimund Remer vor allem in den allerfrühesten Morgenstunden. Da gab es dann Phasen emsigen Treibens, von Blubbern, Rinnen, Gären, Rösten, Wägen, Messen und Zeichnen nicht zu vergessen. Ein zivilisiertes knappes „Heck!“ ließ sich bei jedem Missgeschick vernehmen. Für lange Erklärungen zu laufenden Projekten oder Zielen war keine Zeit. Dafür gab es monatlich Bauern- und Bäuerinnen-Treffen, Lehrlings-Fortbildungen und/oder andere Tagungen, bei denen Gespräche ihren Platz fanden.

Meine Hof-Kindergartengruppe hat Raimund mit großer Freude und ganzem Herzen begleitet und gefördert. Das Kind, die Zukunft, neue Wege! – das entsprach seinem hellen Wesen, durch Disziplin und vielleicht auch allerlei Not und „Tod“ geläutert. Einmal haben wir ihm, dem Bienenvater (wie auch Ameisenvater), die grimm`sche Bienenkönigin zu seinem Geburtstag im Hochsommer vorgespielt: Die Tiere mögen ihm sein Entgegenkommen danken!

Das Morgentor des Schönen, die Zuversicht ist auch in folgender Lebenshaltung erkennbar:

„Angesichts eines gemachten Fehlers zu fragen: Was erlebe ich da? Was kann ich verbessern? Ja, was für neue Perspektiven eröffnen sich mir u.U. dadurch?“

„Es ist nicht nur falsch gewesen, dass ich einen Fehler gemacht habe.“

In die gleiche Rubrik gehört ebenso, mit Interesse auf Schädigung zu reagieren (beispielsweise auf den Fraß-Schaden an frisch gepflanzten Bäumchen durch ein Reh). Inneres Hinlauschen war hier seine Antwort und seine Frage, „Was für ein Wesen berührte „mich“ da?“, anstelle von Ablehnung und Emotion.

Klingt das nicht alles sehr nach anthroposophischem Schulungsweg?

Dies ist auch das Ergebnis dessen, dass Raimund Remer seit Kindertagen mit Tieren zu tun hatte (Er war für Schweine verantwortlich, die er mit welken Brennnesseln fütterte, wohl eine seiner Lieblingspflanzen, die ihm „um sein Herz gewachsen waren“). Dazu kamen seine Erfahrungen in der Landwirtschaft am Wurzerhof, seine Aufenthalte in Afrika und Papua Neu Guinea (Kaffee-Plantagen), seine Arbeit auf der Marienhöhe und besonders die Nähe zu norddeutschen Bauernhöfen, mit denen Austausch und Zusammenarbeit bestand.  Frau Ulrike Remer-Bielitz war in vielem seine Weggefährtin und ist Tierärztin.

Beide verband der Respekt gegenüber den „Tieren, die in einer Vielzahl und Vielartigkeit über die Erde ziehen und in ihrem Zusammenspiel diese pflegen“, wie R. Remer bei der Sommertagung am Neusiedler See zum Ausdruck brachte.

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