Haarsträubendes Zeitgeschehen und die Heilige Elisabeth

Ein tendenziell typischer anthroposophischer Blickwinkel

Text: Reinhard Apel

Wie sich Anthroposophen „wehren“

Gibt es so etwas wie eine einheitliche Vorgehensweise im Falle gesellschaftlicher Krisen, die unter Menschen üblich ist, welche in irgendeiner Weise mit Anthroposophie vertraut sind? Nach meiner bisherigen Erfahrung gibt es allerhöchstens eine oft aufzufindende Tendenz unter Menschen, die der Anthroposophie nahestehen. Und das ist demonstrieren, diskutieren, ignorieren, prozessieren, petitionieren gar nicht so typisch. Der einzelne Anthroposoph kann ja für sich einer sein, oder sich einer Gruppe oder einem Zweig angeschlossen haben, als Demeter-Bauer mit Steiner zu tun haben …. was auch immer. Eine zentrale Führung gibt es für Anthroposophen nicht. Freiwillige Orientierungspunkte ja, eine verbindliche Führung nein. Als freie Persönlichkeit, dem Ziel anthroposophischen Bemühens, kann man jede nur denkbare Position zu einer Zeiterscheinung einnehmen. Kleine Studiengruppen werden vielleicht eine gemeinsame Willensbildung betreiben, allgemein üblich ist es nicht. Es wird die Autonomie der Persönlichkeit sehr hoch bewertet, und dann geht das große „Wir“ eben nicht. Was man allerdings macht, ist im Rahmen einer Tagung ein Thema gemeinsam zu bearbeiten und kommt so für eine Zeit gegebenenfalls zu einer gemeinsamen Bewusstseinsbildung.

Innere Arbeit

Aber wieder und wieder ist der Autor auf die Vorstellung gestoßen, dass die innere Arbeit sehr wichtig ist. Eventuell wichtiger als die äußere Aktion. Unterschreiben kann man ja leicht etwas, aber vollbewusst hinter dem stehen und auch es verstehen was man unterschreibt – das ist noch mal etwas Anderes. Dass die eigene Urteilsbildung sorgfältig, gediegen und umfassend sei, ist ein Teil anthroposophischer Selbstausbildung. „Egal wieviel Du verstehst, handle jetzt!“ – das wäre sehr unanthroposophisch, wenn man dieses Unwort mal probeweise verwenden darf. Aber die innere Arbeit, das ist eine Gemeinsamkeit, die alle Anthroposophen verbindet. Mensch erkenne Dich selbst, Mensch arbeite an Dir, Mensch werde empathisch, Mensch interessiere Dich lebhaft für Dir Fremdes und auch für die Mitmenschen Deines Lebenskreises, das wären einige lockere Stichworte dazu. Und wie man das angehen kann, dafür hört man dann gerne auf den einen oder anderen Vorschlag Rudolf Steiners, des Begründers der Anthroposophie. Ob einer Demonstrieren geht oder nicht ist dann weniger wichtig, als ob einer seine (eine ihre) Tagesrückschau macht oder nicht. Arbeiten Menschen an der Selbstentwicklung der ausgewogenen Persönlichkeit, immer in eigener Regie und freier Wahl versteht sich, dann haben Sie mit der Zeit eine ganz allgemeine positive Wirkung auf ihre Umgebung, so die Annahme. Sie schaffen im Umfeld eine gute Atmosphäre. Und in einer Solchen wären Konflikte in der Gemeinschaft und eventuell auch in der Gesellschaft besser lösbar. Weithin bekannt ist dafür die Übung, den Standpunkt des Anderen einzunehmen, jedenfalls versuchsweise. Besonders dann, wenn man ihn überhaupt nicht teilt.

Was will der Autor schon als eher unterdurchschnittlicher Anthroposoph noch viel darüber sagen? Es gibt berufenere Personen hierfür und einige davon kann man über den Wegweiser Anthroposophie wohl auch auffinden.

Mitgeteilt sei nun ein quasi historisch-esoterisches Beispiel, welches der Autor öfter vorgetragen bekam, als er in den 1970er/80er Jahren seine Anti-Atom Zeit durchlebte. Er ist sich sicher: das Beispiel hat sich unter Anthroposophen mittlerweile nicht abgelebt. In diesem Beispiel wird das historisch klar nachweisbare Ereignis der Mongolenstürme mit Aussagen Rudolf Steiners verknüpft, die dieser aus seiner geistig – übersinnlichen Forschung gewonnen hat. Daher kann der von Steiner geschilderte Einfluss des Gebetes natürlich nicht als bewiesen gelten. Das Beispiel illustriert jedoch einen recht typisch anthroposophischen Zugang zu dramatischen Zeitereignissen.

Mongolenstürme

Da war einmal eine Zeit in der wie ein verheerender Sturm über ganz Asien hereinbrachen die Mongolischen Reiter. Leicht bewaffnet waren sie nur, sehr beweglich, sehr entschlossen und sehr grausam und wie von einer eigenen Aura eingehüllt. Der große Dschingis Khan (1162 -1227), der sich durchaus als Geißel Gottes erlebte, hatte in kürzester Zeit (und wie Steiner anmerkt aus atavistischen Mysterienkräften heraus) die Stämme der Steppe geeint und China, Persien, den Mittleren Osten überrannt. Das gelang trotz einer vergleichsweise geringen Zahl an Kämpfern, denn es wird geschätzt, dass es um 1200 rund 200.000 Mongolen gab. Unter Dschingis Khans Nachfolger Ögedei unterwarfen die Mongolen die Rus und drangen bis Ungarn, Polen und Österreich vor. Das Abendland stand am Abgrund, die Mongolen waren unbesiegbar in der Schlacht. Hätten sie ganz Europa unterworfen, wie hätte es dann wenig später zur Renaissance kommen können und wie hätte das uns bekannte aufgeklärte und vielgliedrige Europa entstehen können? Alles wäre doch Teil eines kollektivistischen Mongolenreiches gewesen.

Nun hat sich dazumal die Heilige Elisabeth mit Ihren Frauen zurückgezogen, um gerade dieser problematischen, wilden „Aura“ der Mongolen durch innere Arbeit etwas entgegenzusetzen. Und es gelang!  Die Gebete und Übungen dieses Kreises reinigten die innere Atmosphäre Europas so weit, dass die Mongolen ihren Siegeszug nicht fortsetzen konnten. Es fehlte ihnen das nötige „Fluidum“ für ihre Reiterstürme. Rasch zerfiel das größte zusammenhängende Landreich der Geschichte in Teilreiche und nach rund 200 Jahren war das Mongolische Großreich weitgehend verschwunden. Am längsten hielten sich die Mongolen der Goldene Horde in Südrussland und da hat Russland historisch etwas getragen, wovon das westlichere Europa verschont blieb.

Es geht um Spitz und Knopf?

Wenn sich die Zeitereignisse besonders bedrängend gestalten, was wird noch am Ehesten das Gemeinsame aller Anthroposophen sein? Verstärkte freie innere Arbeit! Wie diese (in vielfältigsten Variationen) heute aussehen kann, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen und auch ein bisschen die innere Kompetenz des Autors. Wahrscheinlich sammelt man sich heute nicht mehr um eine zentrale Figur und die innere Arbeit findet auch nicht unbedingt im Rahmen der katholischen Kirche statt.

Etwas satirisch gesagt: Wenn alles in der Welt düster aussieht, dann pflanzt der Protestant noch einen luther´schen Baum. Der Demonstrant geht noch zu einer letzten Kundgebung. Der Minister erlässt noch eine gesalzene Verordnung und der Pessimist sagt: „Ich habe es euch immer und immer wieder vorhergesagt, und jetzt kommt das Ende über uns! Und wo ist der Anthroposoph? Er gibt vor seine Post zu sichten, sitzt aber am Schreibtisch und meditiert was das Zeug hält. Alles zusammen mag am Ende des Tages die richtige Melange gewesen sein.

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