Rudolf Steiner über „Vertrauen“

„Wenn wir hinschauen auf die Menschen,
wie sie heute sind, wenn wir hinschauen
auf dasjenige, was an die Oberfläche
des Lebens dringt, was das Leben sogar
dirigieren will, auf das, was sich etwa in
den öffentlichen Verhältnissen auslebt,
wie sie sich in den letzten Tagen wieder
ausgestaltet haben* – wir sehen überall,
dass zwei Dinge den Menschen von
heute fehlen, die man ihnen nur anwünschen
möchte im allerintensivsten Grade:
Es fehlt den Menschen heute in hohem
Grade das, was man nennen möchte
Selbstvertrauen, aber auch das, was man
nennen möchte Vertrauen zur Menschheit.
Prüfen Sie, meine sehr verehrten
Anwesenden, warum die Menschen
heute so wenig in sich selber gehen, um
sich hineinzustellen tatkräftig in jenes
soziale Leben der Gegenwart, welches
die Tatkraft so notwendig brauchen würde.
Wir finden: Selbstvertrauen fehlt den
Menschen. Aber ein Selbstvertrauen ist
nur gerechtfertigt und kann nur da sein,
wenn es getragen wird von dem Vertrauen
zu den anderen Menschen. Wie
Nordpol und Südpol zueinander gehören,
ohne einander nicht da sein können, so
kann Selbstvertrauen nicht da sein ohne
Vertrauen zu den anderen Menschen.
Niemals wird eine Erziehungswissenschaft,
eine Unterrichtswissenschaft in
die Menschen dasjenige hineinbringen,
was Selbstvertrauen, was Vertrauen zur
Menschheit ist, wenn sie nicht herausgeboren
ist aus einer solchen Menschenliebe,
die aus der Menschenerkenntnis
kommt, wie ich sie heute charakterisiert
habe.” (Lit.: GA 335, S. 176)
*Bezieht sich auf Ereignisse des Jahres 1920

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