Biodynamische Präparate im Wald

Von 1989 bis 1992 gab es in Berlin das Projekt Ganzheitliche Waldpflege. Für die Berliner Forste und SenStadtUm wurden 9,5ha Wald biologisch-dynamisch bearbeitet. Weitere 9,5ha gleich gepflegte, direkt anschließende Vergleichsflächen (2×4 Parzellen) blieben unbehandelt. Karl Büchel führte mit einer Waldarbeitsgruppe ein Jahresprogramm durch, das etwa neun Einsätze pro Jahr, viel Beobachtung und auch das Schlagen von Bäumen umfasste.

Betrachtet man den Wald als einen von Prozessen geprägten Organismus, so fragt sich, wie man diese Prozesse erkennen und unterstützen kann. Geeignet scheinen die biologisch-dynamischen Präparate, deren Wirkweise und Herstellungsart Rudolf Steiner in den „Geisteswissenschaftlichen Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ 1924 beschrieben hat. Sie werden zur Anregung und Unterstützung von Selbstheilungskräften des Waldes eingesetzt, wobei nicht auf eine stoffliche, sondern qualitative Wirkungsweise abgezielt wird. Im Rahmen einer ganzheitlichen Waldpflege werden die Präparate Hornmist und Hornkiesel mehrmals im Jahreslauf auf Versuchsflächen ausgebracht. Ebenso werden Gaben eines im Wald aufgesetzten, präparierten Kompostes verteilt, der aufgrund der geringen Menge keinen Düngungs- sondern einen impulsgebenden Charakter hat.

Vor Ort werden Kriterien zur Einübung exakten Beobachtens von Entwicklungstendenzen gegeben. Die Wahrnehmung wird dabei auf die bestandsbildende Schicht, die gesamte Flora und Fauna sowie auf wald- und landschaftsprägende Zusammenhänge gelenkt. Dadurch wird der Blick von einem bestands-bezogenen bewusst zu einem biotop-bezogenen ganzheitlichen Denken erweitert. Es kann individuell auf ortsbezogene Besonderheiten eingegangen werden.

Mit oder nach einem Eingriff ins Bestandsgefüge regen Präparate Wurzelwachstum sowie Abschließen und Ausdifferenzieren von Baumteilen an. Schonende Nutzung fördert einzelne oder Gruppen von Bäumen und lässt sie weiterwachsen.

Praktisches Präparateausbringen im Wald  

Das Hornmistpräparat kann jederzeit im Wald mit Eimer und Handbesen oder mit der Rückenspritze ausgebracht werden. Das Verteilen des Hornkieselpräparates ist aufwendiger, wenn Blätter in 30m Höhe erreicht werden wollen. Doch am Morgen, kurz nach Sonnenaufgang kann mit einer Motorrückenspritze mit 5m langem Rohr das Kieselpräparat in den Luftstrom an der Spitze geleitet werden. Der Sog des Waldes zieht bei normaler Witterung die Dunstwolke in den Kronenraum hinauf.

Werden größere Wald- und Feldflächen mit den Präparaten gesegnet, so sind an den Schleppern befestigte Windturbinen eine gute Ausbringtechnik. Für eine sichere Fahrt ist gute Gewichtsverteilung wichtig. Der Präparatetank kann vorne angebracht sein, wenn hinten die Windturbine ist. So muss nicht jedes Gelände befahren werden, sondern mit dem Wind und der Thermik entlang von Wegen werden die Präparate ohne Druck ausgebracht.

Waldkomposte

Sie sind im Wald einfach herzustellen. Mit der Hand wird die Streuschicht zusammen gerecht und in einem Wall von ca. 0,6 bis 1m x 2m zur Kompostierung angesetzt. Dabei wird den Blättern und Nadeln Mist von Kuh oder Pferd beigesetzt, die fünf biodynamischen Kompostpräparate in Lehmklumpen eingebracht und mit Baldrian abgeschirmt. Gegen die Zerstörung durch Wildschweine hat sich ein ca. 50cm hohes stabiles Gatter aus drei waagrechten Kiefernstämmchen oder Ästen bewährt. Die klugen Tiere springen nicht darüber, wahrscheinlich ahnen sie eine Falle.

In Berlin dauerte es mehr als ein Jahr, bis der Kompost vererdet war und gut roch. Je mehr Wärme (z.B. am Waldrand), umso schneller die Umsetzung im Waldkompost. Mit dem vererdeten Waldkompost haben wir den Humus geimpft, alle 10-20 Schritte mit einer kleinen Schaufel voll. Die Anregung des rohhumusartigen Moders war angezeigt, in einem anderen Humuszustand ist das vielleicht weniger wichtig.

Insgesamt ist eine Menge von 750l Kompost auf 9,3ha Wald verteilt worden. Das Aufsetzen neuen Kompostmaterials erfolgte beim zweiten Mal ohne Zusetzen von Kuhmist und ohne Urgesteinsmehl. Das Urgesteinsmehl hatte sich als störend, trennend und trocknend im Komposthaufen herausgestellt. Auf Kuhmist verzichteten wir, weil ein waldtypischer Verrottungsvorgang im Komposthaufen konzentriert ablaufen und eine spezifische Anregung des Bodenlebens mit dem Ausbringen erfolgen sollte. Zum Aufsetzen der Komposte wählten wir das späte Frühjahr, weil sich die später aufgesetzten Komposte des Vorjahres rascher entwickelt hatten. Wahrscheinlich trug die höhere Umgebungstemperatur am Anfang der Kompostierung zu einer beschleunigten inneren Erwärmung des Komposthaufens bei.

Die Präparate wurden mit Interessierten im Wald gerührt. Eine Waldarbeitsgruppe erlebte schöne gemeinsame Momente. Für die Kieselausbringung mussten wir früh aufstehen, da zwischen 06.30 und 08.30 Uhr die optimale Anwendungszeit ist.

Einen anderen, heilsamen Umgang mit der Natur praktisch umzusetzen, war einer der wesentlichen Gründe für die Bildung der Waldarbeitsgruppe Berlin. Sie orientierte sich an der Frage, wie die dem Wald eigene Vitalität in einer ganzheitlichen Waldpflege gefördert werden kann.

Ergebnisse & Beobachtungen

Die behandelten Fichten, Tannen und Douglasien trotzten mehreren Stürmen, während in der Nachbarschaft gleichaltrige Bäume stürzten. Gleichzeitig haben die Wildwechsel im behandelten Wald stark zugenommen.

In der Obstanlage wurden zwei Kirschbäume mit Hornkiesel behandelt und zwei direkt daneben nicht. Die Verkostung der Früchte gab einen eindeutigen Unterschied: Süße knackige Kirschen hatten die biodynamischen Präparate bekommen, während die faderen und weicheren unbehandelt geblieben waren.

Im Berliner Stadtwald auf armen Sandböden konnten wir in vier Jahren den Humuszustand unter Kiefern mit Präparaten und Waldkompostgaben sichtbar verändern. Eine neue dichtere Verjüngungswelle konnte einsetzen. Sie begann vor allem bei spätblühenden Traubenkirschen, die ebenso die Kieferstreu verbessern. Durch die starke Stammzahlreduktion auf den anliegenden Vergleichsflächen wuchsen die Bäume etwas stärker, mehr Licht kam auf den Boden.

Neue Baumarten keimten, Ameisenhaufen vermehrten sich und Wildwechsel nahm zu. Rehe und Wildschweine wurden angezogen und fraßen die neu gekeimten Waldbäume wieder auf. Ohne effektive Jagd war ein Erfolg mit Keimlingen im Grunewald also nicht möglich. Die vielen Besucher in diesem stadtnahen Wald verunmöglichten aber ein solches Jagdregime.

Die Ausbringung von Hornkieselpräparat im Wald hat nicht zum befürchteten Baumsterben geführt. Im Gegenteil schreibe ich den Impulsen mit Hornkieselpräparat in Zusammenhang mit Hornmist einen wichtigen Stellenwert zu. Unterdrückte Bäume der Oberschicht starben teilweise ab und ein Pflegeeingriff wurde unnötig.

Zusammenfassend:

– neue Baumarten und Tierarten (Ameisenhaufen) traten auf

– der Humuszustand verbesserte sich

– unterdrückte Bäume der Oberschicht starben stehend ab

– dichtere Naturverjüngung in behandelter Fläche

Wissenschaftliche Untersuchungen

Wissenschaftliche Untersuchungen im dritten Jahr konnten die signifikant höhere Anzahl waldtypischer Hornmilben (Oribatiden) in den behandelten Flächen nicht erklären. Das musste mit der biodynamischen Behandlung zusammenhängen und ist Basis für eine Bodenverbesserung dank effektiverer Humusumsetzung. Hornmilben und Springschwänze gelten als Zeigerorganismen für die Aktivität der streu-zersetzenden und -aufschließenden Pflanzen- oder Tierorganismen.

Frau Angela Porzner resümiert dazu unter anderem: „Hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die relativ hohe Differenz der Individuenzahl pro m2 auf die biologisch-dynamische Behandlung zurückzuführen ist. … Insofern kann der hohe Anteil der Waldarten auf der Fläche (94%) gegenüber ihrer Kontrollfläche (67%) als Effekt der Pflegemaßnahmen gewertet werden … Negative Effekte der biologisch-dynamischen Behandlung können fast ausgeschlossen werden.“

Arbeitgeber: SenStadtUm /Auftragnehmer: Angela Porzner

Karl Büchel

CH-3048 Worblaufen, Forstingenieur ETH, Vertiefung Gebirgswaldbau und Bodenkunde. Biodynamischer Forscher. Studienjahr am Goetheanum, Projektleiter im Berliner Staatswald: Ganzheitliche Waldpflege mit biodynamischen Präparaten. Baumpfleger. Gründungsmitglied Pro Silva Schweiz. Spezialisierung: FSC®-Zertifizierung weltweit, naturgemässe Waldpflege und biodynamische Präparate für Bäume.

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