Das Endergebnis der Evolution?

Text: Günter Schlicker, Wien

Der geistbegabte Mensch vernichtet seine eigene Lebensgrundlage

Der Mensch steht als letzter der langen Evolution als einziges Wesen mit geistigem Selbstbewusstsein da. Es sieht aber so aus, als ob er damit auch derjenige ist, der die Vernichtung des Lebens auf der Erde frühzeitig verursachen wird. Einer der Gründe ist, weil er den geistigen Ursprung und die Weisheit des Lebens missachtet.

War der Mensch jemals in einem vorhergehenden Zeitalter in so einer Unabhängigkeit und Distanziertheit von der Umwelt wie heute? Dieses Unabhängige scheint ihm aber in den schon nächsten Jahrzehnten zum Verhängnis zu werden. Wie groß ist der verlorengegangene und verkannte Zusammenhang des Menschen mit den Pflanzen und Tieren und mit den leblosen Mineralien? Auch wenn er es nicht wahrhaben will, der Mensch selbst ist zum scheinbar allmächtigen Kreator und damit momentan mehr zum Zerstörer als zum Pfleger oder gar Heiler seiner Welt geworden. Er ist intelligent, aber die Weisheit ist ihm verloren gegangen.

Der Mensch kann Leben auch mit den geistreichsten Ideen nicht erzeugen. Er kann das vorhandene Leben in Pflanzen und Tieren, sprich Natur und sein eigenes nur pflegen und hoffen, es durch gute Behandlung gesund zu erhalten. Und das macht er zur jetzigen Zeit leidlich bis schändlich, d.i. bis zum Untergang seiner selbst, wenn er keine neue Einsicht über sich selbst im Zusammenhang mit seiner Lebenswelt gewinnt. Die Evolution hat uns als Endpunkt hervorgebracht. Der Mensch ist ein Emporkömmling aus irdischen Verhältnissen. Er fiel, laut Naturwissenschaft, nicht vom Himmel. Er entwickelte sich aus den jeweiligen Erdverhältnissen heraus, wie alle anderen Lebewesen. Es gelang ihm aber als einzige Spezies, sich von seiner Umwelt am stärksten zu emanzipieren.

Wodurch schaffte er das nur?

Die Tiere sind ganz in ihre Umwelt eingebunden. Das beginnt bei den Säugetieren mit ihrer meistens vierfüßigen Zuwendung zur Erde. Der Mensch erhob sich aufrecht und schreitet mit Überblick. Die Schnauze der Tiere weist schon auf ihre Triebnatur in Richtung Fressen hin. Beim Menschen ist die Mundpartie zurückgenommen, harmonisch ins Antlitz eingefügt. Er kann sich zurückhalten, wenn er Hunger verspürt und das Essen planen, appetitlich herrichten und kultiviert speisen. Des Menschen hauptsächliche Sinne sind vorwiegend im Kopf, hoch von der Erde erhoben. Bei den Tieren sind sie schon allein durch die Haltung des Körpers und des Kopfes zur Erde gerichtet. Sie spüren Vibrationen der Erde stärker und schnüffeln am Boden oder wittern feine Gerüche in der Luft. Sie sind mehr Erdenwesen als der Mensch.

Das Sich-Aufrichten machte den Menschen der Natur mehr enthoben als jedes andere Wesen. Er fühlte die Überlegenheit, die ihm durch seinen Überblick, seine Geistestaten, seine Erfindungen möglich wurde. Mit diesen verlor er seinen Zusammenhang mit der Natur immer mehr aus seinem Focus und verbannte sie aus seinen Lebensbereichen. Durch die Bekleidung, die Behausung, die Heizung schloss er die Natur immer mehr aus oder schlug ihr ein Schnippchen und schützte sich vor ihren schwächenden Wirkungen oder Gefahren. Im letzten Jahrhundert vergaß er in seiner Abgesondertheit, dass auch er aus der Natur stammt und diese für ihn die Lebensgrundlage bildet. In den letzten Jahrzehnten lebte er beinahe bald mehr in der Virtualität (Computer bzw. Handy und Internet) als bewusst im Freien und mit der Natur oder der natürlichen Umwelt.

Der Mensch ist aber ebenso ein Erden- wie auch ein geistiges Wesen. Er ist also aus der Erde mit ihren Veränderungen emporgewachsen, wie auch die Tierwelt aus ihr hervorgegangen ist. Menschen und Tiere waren gewissermaßen einmal vereint. Der Mensch hat die Tierwelt in seiner heutigen Form des Homo sapiens sapiens weit zurückgelassen. Rein physisch kann man seine Verwandtschaft konstatieren. Geistig ist der Sprung aber gewaltiger und schier unüberbrückbar groß. Auch die große, beinahe menschlich über die Tiere denkende und tief mitfühlende Schimpansen-Forscherin Jane Godall sagt: „So klug und fühlend die Affen auch sind, sie sind nie auf den Gedanken gekommen, auch wenn sie es bei Menschen gesehen haben, ein Feuer zu entzünden und sich Fleisch daran zu braten.“ Noch größer aber ist der Abstand zur Pflanzenwelt, sowohl physisch als auch geistig. Es gibt aber etwas, das alle drei, das Tier, die Pflanze und den Menschen vom Ursprung her verbindet: Das Leben ist ihnen allen eigen.

Bei der Pflanze ist es so ursprünglich und so stark, dass sie ganze Organe verlieren kann, ohne das Leben ganz zu verlieren. Je einfacher ein Lebewesen organisiert ist, umso mehr Regenerationskräfte hat es. Ein frisch geschnittener in die Erde gesteckter Weidenzweig schlägt aus und wird wieder zum Weidenstrauch oder Baum. Ähnlich ist es beim niedrig organisierten Tier. Ein Regenwurm beinahe in die Hälfte geteilt, kann sich ganz regenerieren. Die Blindschleiche lässt ihren Schwanz bei Gefahr abfallen. Er wächst nach. Je höher das Tier in seiner Organ-Komplexität steigt, umso verletzlicher ist es und desto mehr dem Tod ausgesetzt. Der Mensch ist, was seine körperliche Organisation betrifft, so hoch komplex, dass er damit den Regenerationsprozessen am fernsten ist. Bei ihm wächst, wie auch bei höheren Tieren kein Körperteil nach. Und im Nervensystem sind Zellentode oder Hirnschädigungen organisch gänzlich irreparabel. Hier ist er von allen Lebewesen am höchsten organisiert und damit am gefährdetsten. Den Menschen trifft es in seinem Kopf, auf den er so stolz ist, am härtesten. Wenn er sein Gehirn nicht mehr entsprechend verwenden kann, wird er sein Menschsein nicht mehr voll leben können. Man spricht vom Hirntod. Aber genau das Hirn zeichnet den Menschen als geistigen Träger aus. Ein menschengemäßes Leben ist ein vom Geiste getragenes Leben. Der Tod ist nicht der Feind, sondern der Freund des Lebens, besonders des geistigen Lebens. Da der Mensch am stärksten mit seinem (Kopf-)Leben dem Tode ausgeliefert ist, hat er das höchste Bewusstsein und auch ein Bewusstsein vom Tod. Die Nervenzellen repräsentieren die Todesprozesse im Menschen. Sie sind dem Absterben am nächsten, ermöglichen uns aber das geistig gesteuerte und getragene Leben. Das Nervensystem ermöglicht uns das Denken und damit die Selbstreflexion und im Weiteren das Selbstbewusstsein. Der Todespol gebiert das geistige Leben. Das Blut, im Gegensatz dazu erneuert sich immer wieder. Es ist der Lebenspol im Menschen.

Auch hier also hat sich der Mensch vom (Natur-) Leben am meisten entfernt oder von ihm am meisten emanzipiert. Doch stammt auch er letztlich aus dem Ursprung des Lebens. Dieses Lebens, das letztendlich den Geist im Menschen gebar und offenbarte.

Wenn aber der Tod, den Geist aus dem Leben gebiert, gehört ersterer zum Leben. Und das Leben musste ihn potenziell schon in sich tragen. Das Zusammenwirken von Lebens- und Todesprozessen (das Absterben der Gehirnzellen) im Menschen bringt den Geist erst zur Wirksamkeit. Also muss auch der Geist in beiden stecken. Oder kann Materie Geist hervorbringen? Der Geist ist das Kreative. Die Materie als Kreator und Motor der Evolution ist wohl schwer vorstellbar.

Geist und Materie

Die Wissenschaft, die seit fünf Jahrhunderten die Materie erforscht und mit ihr die physischen Prozesse, hat das ganze Gedankengebäude aber umgedreht. Jahrtausende davor hielt man immer den Geist als Schöpfer aller materiellen Erscheinungen und als Hervorbringer aller geistigen Errungenschaften der Menschen und der Hoch-Kulturen. Irgendwann, in den letzten Jahrhunderten erging das materielle Postulat, dass alles nur Zufall sei. Die Materie organisiere sich selbständig, jedoch völlig unmotiviert, aber anscheinend von Anfang an intelligent und immer intelligenter, seit Leben in ihr steckte. Man leugnete also mit einem Schlag den Geist, da das aufgeklärte Weltbild, der aufgeklärte Mensch sich von allem Göttlichen oder Geistigen emanzipieren wollte und musste. Das geht mittlerweile so weit, dass leblosen Apparaturen Geist zugeschrieben wird (künstliche Intelligenz). Diese aber hat der Menschengeist in die Apparate gebracht. Das ist jedoch nur ein matter Abglanz des selbständigen, selbstbewussten, schöpferischen Denkens des Menschen, das nur im Zusammenspiel von Leben und Tod, sprich durch Geist, in einem lebendigen Organismus möglich ist.

Wir müssen also den Geist als ein über das Leben und den Tod Übergeordnetes anerkennen. Somit konstatieren wir: Der Geist ist der Ursprung der Lebens- und somit auch der Absterbe-Prozesse. Ohne das Absterben der Blüte bei der Pflanze nach der Befruchtung gäbe es keinen Samen. Das Leben ginge nicht weiter. Jene Kraft, die vorher in der Blüte war, geht in den Samen über und das Sterben ist eine Voraussetzung des neuen Lebens. Und obwohl oder weil die (einjährige) Pflanze abstirbt, entsteht im Samen die Lebenskraft, die neues Leben gebiert. Beim Menschen ist der Absterbe-Prozess, der Abbau des Lebens, der Todesprozess schon im Leben wirksam, ohne das Sterben des ganzen Menschen: in seinem zentralen Nervensystem. Es scheint, als ob es die Evolution im Menschen so weit trieb, dass sich der Geist in ihm bewusstwerden konnte. Deswegen hat der Mensch auch ein Bewusstsein vom Tode, der in ihm steckt und ihn im Ganzen auch nicht erspart bleibt. Das hieße aber, wiederum als Rückschluss, dass Evolution geistgeführt war und dass das geistige Vermögen dem Leben immanent war.

Das, was bei den Tieren Schwarmintelligenz ist, diese hohe Weisheit eines Bienen- oder Ameisenstaates oder was den Vogelzug hervorruft und organisiert, das Eierlegen von Schildkröten, die genau bei der Flut ihre Eier an den Strand legen, dass sie nicht wieder mit höheren Wellen vor dem Schlüpfen ins Meer gespült werden, diese Weisheit der Natur nimmt der Mensch zu selbstverständlich. Es gibt unzählige Beispiele, die diese in allen Wesen liegende Weisheit zeigen. Sie ist nicht zu übersehen. Schon die einzelne Zelle vollzieht unzählige Prozesse, die wir in ihrer Komplexität mit der Umgebung und erst innerhalb eines Organismus` noch gar nicht ganz verstehen, obwohl die Wissenschaft schon erstaunliche Erkenntnisse daraus gewonnen hat. Diese Intelligenz lebt sich aber ohne Selbstbewusstsein in Pflanze und Tier aus. Nur im Menschen kam sie zur Blüte.

Weisheitsvolles Leben

In der immer wieder staunenswerten Selbstorganisationsfähigkeit des Lebens, dem unfassbar komplexen Zusammenwirken der Ökosysteme, dem erdumspannenden Zusammenspiel der Natur und ihrer Phänomene, von der Atmosphäre bis in die Mikrobenwelt des Humus hinein, steckt Weisheit. In allem wohnt der Geist, der von den Menschen nur bewundernd erforscht werden kann. Die medizinische, meteorologische, biologische, landwirtschaftliche Forschung betrachtet mit präziser Wissenschaft das Leben und seine weisheitsvolle Einrichtung, durch den im Menschen zu Bewusstsein gekommenen Geist. Es ist derselbe Geist, der in der Welt, im Entstehen und in der Weiterentwicklung des Lebens wirkte. Alles Leben ging aus ihm hervor. Und es musste immer etwas zurückbleiben als Bodensatz für das sich höher evolvierende Leben. So baut die Pflanze sich mit den gelösten Mineralien in der Erde auf. Die Tiere ernähren sich von Pflanzen, wenn auch einige sich von den Pflanzenfressern ernähren. Der Mensch braucht alle drei als Lebensgrundlage und trägt alle drei in einer gewissen Form in sich: die Spurenelemente (Mineralien), das Leben (Pflanzenstufe), die Seelenregungen (die Tierstufe). Was wäre naheliegender als der Gedanke, dass der in der Natur und damit in der Welt lebende Geist alle vier durch seine Weisheit lenkte und so die Evolution bis zum Menschen brachte? Man kann es auch anders ausdrücken: Der Mensch setzte sich im Rahmen der Evolution von diesen drei Stufen ab und konnte so darauf aufbauend letztlich den in allem wirkenden Geist in sich zum Bewusstsein zu bringen. Die Dankbarkeit ist er den drei Reichen unter Ihm, da sie seine Lebensgrundlage darstellen, und dem Geist noch schuldig. Massentierhaltung, Leerfischung der Meere und Ausrottung der Arten ist nicht die richtige Haltung.

Das Edle des Geistes im Menschen braucht anscheinend noch Zeit zu wachsen, um der Weisheit des Lebens-Geistes würdig zu werden. Wir müssen lernen, nicht nach wie vor nur auf unsere Intelligenz zu bauen. Wir sollten uns wieder mit der Weisheit verbinden, die in allem wirkt und zu dieser den Zugang suchen. Dann wird es mit unserer Entwicklung wieder aufwärts gehen und wir können uns als Kreatoren, als bewusste geistbegabte, selbstschöpferische Wesen vielleicht der Welt und unseren Mitmenschen würdig erweisen.

Wer gab dem Kugelfisch dieses Vermögen zum Herstellen der herrlichen Sandfigur unter Wasser? Er arbeitet daran nahezu den ganzen Tag. Ist es nicht eine geistige Fähigkeit, die unbewusst im Tiere wirkt?

Am Strand von Mexiko legt der Grunion (ein 20 cm langer Fisch) in Abstimmung mit den Mondphasen bei Flut seine Eier in den Sand und die Männchen befruchten sie gleich anschließend. Meeresrochen und Meeresvögel „wissen“ anscheinend davon, kommen zeitabgestimmt auch genau zu diesem Strand. Sie nähren sich von dem nur für ein paar Minuten währenden Nahrungsreichtum, der sich mit der Stellung Erde Mond abgleicht. Welche Weisheit lebt nicht in diesen Tieren?

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