Ein Schulprojekt in Äthiopien

Text: Elisabeth Jordi, Mai 2020

Im Norden Äthiopiens, nahe der Grenze zu Eritrea, befindet sich der Ort Hawzien, etwa 2400 Meter über dem Meer.

Dort versuche ich seit 10 Jahren zusammen mit der kleinen NGO „Finks – Society for Integrated Development“ eine etwas andere Schule aufzubauen. Dieses Projekt wurde im Jahre 2002 von Dorothea und Peter Roenpage, ehemalige Waldorflehrer und Dr. Atsbaha Gebre-Selassie, als Selbsthilfeverein gegründet. Finks ist das äthiopische Wort für Phönix, der wie Hawzien nach dem Bombardement durch den kommunistischen Diktator in den 80er Jahren aus der Asche wieder neu ersteht.

Auf einer Reise im Jahre 2009 lernte ich dieses Projekt kennen und bin seit dem etwa zweimal jährlich dort.

Es begann alles mit einem Kindergarten, im Jahre 2004, der mit den Jahren gewachsen ist. Im Jahr 2014 ist eine Schule entstanden, die jetzt 6 Klassen hat und jedes Jahr eine neue dazubekommt,  die „Bright Future School“.

Jede der 4 Kindergartengruppen ist in einem eigenen Häuschen untergebracht. Das erste Schulgebäude beherbergt 4 Klassenräume, einen großen Saal und Toiletten. Da im vergangenen Herbst eine 6. Klasse hinzukam, musste eine Lösung für die Raumnot gefunden werden. Man entschloss sich, die 4., 5. und 6. Klasse vormittags und die Kleinen am Nachmittag zu unterrichten, was in Äthiopien üblich ist. Dank der großzügigen Hilfe eines Spenders konnten nun die 5. und 6. Klasse in ein neues Gebäude einziehen, das wieder über 4 Klassenräume verfügt.

Die Schülereltern merken, dass ihre Kinder glücklich sind und Dinge lernen, die sonst nicht üblich sind. Sie können aber nichts bezahlen, außer einem symbolischen Beitrag für das Brötchen und die Milch, die die Kinder täglich in der Pause bekommen. Wer auch das nicht kann, hilft beim Saubermachen.

Wenn man sich dem Schulgelände nähert, sieht man schon die vielen verschiedenen Bäume, die auf dem drei Hektar großen Grundstück stehen. Es ist ein Ort der Ruhe und des Friedens, ein kleines Paradies inmitten eines lauten und staubigen Städtchens, wo die Kinder auch gerne die Freizeit verbringen. Sie kommen oft auch nachmittags hierher, die Mädchen sitzen im Schatten der Bäume und lernen, die Burschen spielen Fußball. Jeden Morgen machen sich etwa 300 Kinder auf den Weg um hier unterrichtet zu werden. Der Schultag beginnt mit dem Hissen der äthiopischen Fahne und dem Singen der Nationalhymne, während die Kindergartenkinder Kreisspiele machen oder eine traditionelle Hochzeit mit Gesang und Tänzen nachspielen.

Das Projekt beschäftigt vier KindergärtnerInnen, acht LehrerInnen, Helfer, Gärtner, Wächter und einen Bäcker, der jeden Morgen in der eigenen Bäckerei Brötchen für die Kinder bäckt. Drei Kühe geben täglich Milch und zwei Maultiere helfen, das Wasser für das Gießen der vielen Pflanzen aus dem über einen Kilometer entfernten Fluss zu holen, da das Gemeindewasser dafür zu teuer ist. Diese Tiere brauchen natürlich auch Pfleger, die Häuser brauchen Frauen, die sie sauber halten, die aber auch die Milch kochen und austeilen. So gibt es inzwischen viele Menschen aus dem Städtchen, die in dem Projekt mitarbeiten und für die Kinder sorgen. Nun wurde auch ein Brunnen gegraben, das Wasser muss aber noch auf seine Qualität hin geprüft werden.

Wenn ich am Vormittag die Klassen besuche, werde ich immer mit einem kleinen Lied begrüßt: “Welcome, welcome teacher…….“ Ich beobachte die LehrerInnen beim Unterrichten und die Kinder bei der Mitarbeit. Nachmittags arbeite ich dann mit den Erwachsenen, berichte über meine Beobachtungen und gebe ein Feedback. Das Schulsystem in Äthiopien besteht vor allem aus dem Lehren von Schreiben, Lesen und Rechnen, aus Fragen und Antworten. Ein pädagogisches Anliegen gibt es nicht, selbständiges Denken ist nicht gefragt, denn man tut, was die Traditionen, die orthodoxe Kirche oder die Moschee vorgeben. Aber erstaunlich ist, dass die LehrerInnen alles, was ich ihnen zeige begeistert aufnehmen, so z.B. das Formen-zeichnen: wir gehen die Formen im Raum, zeichnen sie in die Luft und auf den Boden bevor wir sie dann mit Wachsmalkreiden aufs Papier bringen. Die Begeisterung und der Hunger nach etwas anderem als die Vorgaben aus den Büchern sind so groß, dass das Neu-Gelernte bereits am nächsten Tag mit den Kindern versucht wird. Auch wenn man selbst noch unsicher ist, dann lernt man eben mit den Kindern gemeinsam. Alles Künstlerische, Spielerische wird aufgesogen, sei es nun mit Knetwachs Zahlen und Buchstaben zu formen, oder sie mit Steinchen oder Bierdeckeln auf den Boden zu schreiben. Die Kinder besitzen keine Buntstifte, die bringe ich jeweils mit. Sie verbleiben in der Klasse und werden nach Bedarf ausgeteilt. Sie schreiben mit billigen BIC Kugelschreibern winzig klein in ihre Hefte. Als ich einmal fragte, warum denn so klein geschrieben werde, und das schon in der ersten Klasse, bekam ich zur Antwort, dass sich viele Eltern nur ein bis zwei Hefte pro Jahr leisten könnten! Wie gehen wir dagegen mit unseren Heften um?

Vor einem Jahr begleitete mich eine Eurythmistin nach Äthiopien. Es war unglaublich wie freudig die eurythmischen Übungen von den LehrerInnen aufgenommen wurden. Auch hier sah ich am nächsten Tag, wie eine Lehrerin versuchte mit den Kindern im Freien eine Acht zu gehen. Diese Spontaneität, diese Freude etwas Neues zu lernen und die Herzlichkeit der Menschen sind der Grund, warum ich immer wieder nach Hawzien fliege. Das Leben dort ist natürlich ziemlich einfach. Im Hotelzimmer steht ein Bett, ein Tischen und ein Stuhl, aus der Dusche kommt ein kleiner Wasserstrahl, der aber das ganze Badezimmer nass macht, und die Beleuchtung ist so schlecht, dass ich nachts mit einer Stirnlampe lese. Trotzdem fühle ich mich dort schon ein bisschen zu Hause. Einige Menschen nicken mir freundlich zu und die Kinder rufen von überall: Elsi, Elsi…… Auch an das Essen habe ich mich gewöhnt: Injera – eine Art Fladenbrot aus Teff (eine Zwerghirse, die es nur in Äthiopien gibt) – darauf verschiedene Fleischsaucen und Gemüse, alles sehr scharf, und – man isst mit der Hand!

Ich freue mich jedes Mal sehr all dies wieder zu sehen, ich bleibe nicht lang, etwa zwei Wochen, da die Menschen sonst überfordert sind. Mein Besuch verändert ihren Lebensalltag, denn ich verlange ja, dass sie nachmittags in die Schule kommen um mit mir zu lernen. Auch ist es mir wichtig, Anregungen zu geben und sie danach wieder allein zu lassen, dass sie das Gelernte allein, auf ihre Art umzusetzen. Ich will nicht Europa dorthin bringen – obwohl ich es mit meinem Hingehen natürlich schon ein wenig tue – Äthiopien hat eine uralte, eigene Kultur, die sie pflegen sollen.

Ich bewundere diese Menschen sehr, wie sie mit nichts ihr Leben meistern und doch nie klagen, sondern viel lachen und fröhlich sind ……

Elisabeth Jordi,  ehemalige Lehrerin in Mauer, elisabeth.jordi@chello.at, http://www.finkshawzien.com                    

Spendenkonto:

HERMES-Österreich, AT 86 1953 0001 0063 0000, Betreff: Phoenix Äthiopien

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