Eurythmie-Studium in Wien, Neubeginn ab Herbst 2016

Harald Kallinger, Eurythmist seit 2009, unterrichtet in Wien und Ungarn und seit zwei Jahren auch an der Eurythmieschule in Wien. Derzeit werden die Räume von ca. 30 Eurythmiebegeisterten – Studenten und Teilnehmern verschiedener offener Kursangebote – genutzt, nun steht ein Neugriff an.

Interview: Barbara Chaloupek Fotos: www.birtaphoto.com

BC: Eurythmie hat in Wien eine lange Tradition –

HK: – im Herbst 2016 ist die Gründung in diesen Räumen 70 Jahre her!

BC: Nun steht ein Neugriff an. Im Initiativteam sind neben Dir auch Cora Richter und Gabriele Zwiauer. Was wollt Ihr konkret?

HK: Die Frage ist: Die Ausbildung – wie greift man das zeitgemäß? In den meisten Eurythmie- Ausbildungsstätten in Europa geht die Zahl der Studierenden zurück. In Wien haben wir jetzt die Möglichkeit, etwas komplett Neues zu beginnen.

BC: Was heisst zeitgemäß?

HK: Zeitgemäß ist sicher, dass man mit dem Individuum, dem Menschen viel stärker rechnen muss – mit dem, was der einzelne Mensch als geistiges Wesen mitbringt. Die individuelle Biographie ist wichtiger, dem muss man Rechnung tragen.

BC: Ihr habt für die Ankündigung des Studiums, das 2016 beginnen soll, den Begriff Instrumentbildung im Programm. Wo soll es hingehen, was meint Ihr damit?

HK: In der Eurythmie geht es darum, dass der Leib Seele werden soll. Unser Leib ist das Instrument, mit dem wir hier tätig sind. In der eurythmischen Schulung geht es also darum, dass das Instrument, der Leib – der ist ja unser Tempel! – zu einem Wahrnehmungsorgan für das Seelisch-Geistige wird.

Dann kann ich aus der Bewegung ein unmittelbares, bewusstes Erlebnis haben. Das Erlebnis in der Bewegung ist, dass ich eine Gesetzmäßigkeit, eine Stimmung in der Gebärde ausdrücken kann. Diese Stimmung ist für den Betrachter sichtbar – wenn der Körper das Instrument ist, das das ausdrücken kann, also geschult ist.

BC: Eurythmie hat ja als Bühnenkunst begonnen, wird oft dem Tanz zugeordnet. Was mich immer fasziniert, ist, dass das auch kleine, dicke, ungeschickte Menschen machen können und es wirkt toll!

HK: Das liegt daran, dass es beseelte Bewegung ist und der Körper ist der, der es sichtbar machen kann. Und jeder Mensch hat eine wunderbare Seele, die etwas Sinnvolles ausdrücken kann! Als Zuschauer nehme ich in der Eurythmie eben immer auch wahr, was die Seele des Menschen macht. Das kann wirklich berühren.

BC: Ihr seht den Kurs auch in Zusammenhang mit Persönlichkeitsentwicklung.

HK: Lernen ist Selbsterfahrung mit der eigenen Persönlichkeit. Wenn alles nur leicht geht, macht man nur die Sachen, die man eh gut kann. Wenn man Grenzen überschreitet, kann das zuerst auch unangenehm sein. Eine Kunst wie die Eurythmie, die den ganzen Menschen einbezieht, da ist der Weg vorgezeichnet, dass sich die Persönlichkeit entwickelt, dass ich mehr zu dem werde, der ich sein kann … Mir ist wichtig, dass wir das bewusst ergreifen und das hängt auch mit einem anthroposophischen Schulungsweg zusammen.

BC: Du hast auch Erfahrung in der Betriebseurythmie, hast die Ausbildung zum Betriebseurythmisten bei Annemarie Ehrlich abgeschlossen. Dabei entstehen oft wunderbare bewegte Skulpturen – wir haben das ja schon gemeinsam erlebt, als wir im Festsaal von Wien West mit ihr mit 50 Menschen Sonne gemacht haben….

HK: Eurythmie ist seelisch-geistiges Turnen und als solches kann man sie genauso ansehen.

BC: Welchen Stellenwert kann die Betriebseurythmie für die Zukunft haben?

HK: Es ist ganz wichtig, dass man die Bedürfnisse der Menschen, der Welt aufgreift. Für alle Zusammenhänge hat die Eurythmie da viel zu bieten – da geht es nicht nur um Betriebe, sondern auch um das Zwischenmenschliche. Die Eurythmie ist keine Solokunst – die große Blüte ist im Zwischeneinander. Das ist auf der Bühne interessanter und im alltäglichen Leben auch.

BC: Bei diesem Neugriff jetzt plant Ihr, die Betriebseurythmie mehr einzubetten.

HK: Eurythmie ohne soziale Elemente gibt es gar nicht! Wir wollen viel mehr darauf schauen, dass Menschen, die den Beruf Eurythmist/Eurythmistin anstreben, Möglichkeiten entwickeln, wie sie im Sozialen wirken können.

Nur auf eine Bühnenperformance hinarbeiten und dabei von außen einstudiert werden – das ist nicht ausreichend. Der Mensch soll sein eigener Regisseur sein, das eigene soziale Umfeld gestalten. Dazu muss man an die Quellen der Eurythmie geführt werden. Dann können die Teilnehmer Eurythmie mit ihrem Leben verknüpfen lernen, Kurse in ihrem Umfeld anbieten – das wollen wir in Wien nun anders gestalten.

BC: Das ist aber kein entweder – oder …..

HK: Wir haben jetzt schon einen Software-Entwickler im Kurs, der sagt: Alles was ich in der künstlerischen Eurythmie erlebe kann ich im Berufsleben auch erkennen.

Auch so wie wir da sitzen: Sprechen und Hören – das ist wie Ballen und Spreizen. Wenn wir reden: Du hörst zu, machst auf, ich balle… da kann Eurythmie beginnen.

BC: Im nächsten September startet der neue Kurs – davor braucht Ihr aber noch Unterstützer!

HK: Genau. Nicht nur auf der geistig, künstlerischen Ebene, sondern auch mit dem wirtschaftlichen Umfeld muss alles neu gegriffen werden. Am 9. Oktober war ein Vorstandswechsel im Trägerverein der Gesellschaft der Eurythmie-Freunde. Nun suchen wir Mitglieder, Sponsoren, Unterstützer, die das wirtschaftlich mittragen.

BC: Aber man kann sich jetzt schon für den Kurs anmelden?

HK: Es gibt schon einige Interessenten für den Beginn im nächsten Herbst. Es wird ein berufsbegleitendes Studium, es gibt bei der Neugründung einen Mentor von einer anderen Ausbildung, wir sind im Kanon der von Dornach anerkannten Ausbildungen. Die ersten drei Jahre sollen zu einem abgerundeten Ergebnis führen – zu einem organischen Dreischritt, der für das abschließende Eurythmie-Diplom aber noch eine weiterführende Intensivierung braucht.

BC: Zeitlich sind drei Einheiten pro Woche und zwei Intensivwochen pro Jahr vorgesehen, es eignet sich also auch für den zweiten Bildungsweg.

HK: Die Seele lebt in einem anderen Rhythmus – die übt man nicht so wie das Instrument. Dass ich eine authentisch beseelte Bewegung ausführen kann, das nimmt im Alter meistens zu…
Natürlich gehen manche Prozesse schwieriger, die leibliche Durchdringung zum Beispiel. Das ist aber individuell verschieden. Auch geht es nicht jedem, der viel Eurythmie machen will, darum, ein Eurythmiediplom zu bekommen, das ihn den Beruf ausüben lässt.

BC: Was ist Euer Ziel in fünf Jahren?

HK: In fünf Jahren …. Viele Menschen nutzen die Räume in der Tilgnerstraße für Eurythmie, das ist ein Ziel. Und dass generell in Wien die Eurythmie wieder mehr sichtbar ist, dass es mehr Austausch gibt zwischen den Eurythmisten, die da leben und arbeiten. Und dass sich auch wieder mehr junge Menschen trauen, ein künstlerisches Studium zu beginnen.

BC: Das hört man ja auch von den öffentlichen künstlerischen Akademien in Wien, keine langen Schlangen mehr am Tag der Aufnahmeprüfungen…

HK: Kunst wird als Zeitvertreib gesehen – dabei ist ohne Kunst ein menschenwürdiges Leben gar nicht möglich. Eurythmie spricht den ganzen Mensch an: So wie ich geboren worden bin. Und da bin ich wieder beim Instrument: Was habe ich mitbekommen, wie stehe ich damit in der Welt und was möchte ich entwickeln?

Kursstart Herbst 2016 – jetzt schon anmelden!

Eurythmie – Wien
info@eurythmie-wien.at oder Tel. 0677 61757750

Termine
Mi, 9.Dezember 2015, 18:30 Eurythmie zur Weihnachtszeit
Sa, 19.Dezember 2015, 16:00 Trimester-Abschluss der Studenten
Sa, 23.Jänner 2016, 15:00 Referate der letztjährigen Diplomanden
Info-Tag zum Studium: Sa, 23.April 2016
Details siehe Veranstaltungsteil

 

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